
Bei der «Südostschweiz» ist man nicht sehr gut auf den EHC Arosa zu sprechen.Bild: KEYSTONE
Eismeister Zaugg
Der berühmte EHC Arosa ist eine magische Marke. Fast so klangvoll wie der HC Davos. Eigentlich unvorstellbar, aber wahr: Die Somedia-Gruppe verzichtet auf allen Kanälen auf eine Berichterstattung über die Darbietungen des EHC Arosa.
25.01.2022, 20:1425.01.2022, 20:14
Es ist ein Medien-Boykott, den es in dieser Form in unserem Hockey noch nie gegeben hat und auch im Vorfeld der Abstimmung über das Medien-Paket von Interesse ist. Am 22. Januar wendet sich der Chefredaktor der «Südostschweiz» an seine Leserinnen und Leser.
Journalismus funktioniert nicht so, wie der EHC Arosa das will
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser, Sie haben möglicherweise festgestellt, dass die Medienfamilie Südostschweiz in dieser Zeitung, aber auch online sowie im Radio und TV seit geraumer Zeit nicht mehr über Spiele des EHC Arosa berichtet. Dafür möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen, Ihnen aber auch erklären, weshalb das so ist.
Die Rolle der Medien ist es, unabhängig darüber zu berichten, was Sie und mich bewegt. Das mag Politik sein, Wirtschaft, das können gesellschaftliche und kulturelle Themen sein, aber natürlich auch sportliche. Wir bestimmen, worüber wir berichten und worüber nicht, und wir bestimmen, wie wir das tun, in welcher Form. Die politischen Parteien haben darauf keinen Einfluss, Unternehmen haben keinen Einfluss und Sportvereine eben auch nicht.
Der EHC Arosa hat uns vor einigen Monaten mit einem teilweisen Stadionverbot belegt, aus Verärgerung darüber, was wir geschrieben hatten. Der EHC Arosa will darum zukünftig entscheiden, wer über die Spiele schreibt und wer nicht. Es erinnert an Hofberichterstattung, wenn jemand versucht, Einfluss auf die unabhängige Berichterstattung zu nehmen und damit Einfluss darauf, was Sie in Zukunft lesen können – oder eben nicht mehr, weil es dem EHC nicht genehm ist.
Es ist klar, dass wir auf solche Forderungen, welche die Medienfreiheit fundamental infrage stellen, nicht eintreten können und wollen. Täten wir das, würden uns in der Folge politische Parteien, Unternehmen, Kulturschaffende und andere Sportvereine ihre Agenda diktieren wollen.
Selbstverständlich führten wir mit der Leitung des EHC Arosa Gespräche und tun das weiterhin, um diese unbefriedigende Situation bald klären zu können. Ich hoffe, Ihnen an dieser Stelle dann erfreulichere Mitteilungen machen zu können.
Reto Furter Leiter Chefredaktion.
Der Konter lässt nur zwei Tage auf sich warten. Am 24. Januar schreibt der EHC Arosa auf seiner Homepage:
Geschätzte Leser
Die Südostschweiz hat in ihrer Ausgabe vom Samstag, 22. Januar 2022 eine Erklärung abgegeben, weshalb sie zur Zeit nicht über die erste Mannschaft des EHC Arosa berichtet. Das Medienhaus begründet dies mit einem teilweisen Stadionverbot, das ihm der EHC Arosa auferlegt habe und wehrt sich damit gegen eine ihm eingeschränkte Medienfreiheit.
Es ist richtig, dass die Leitung der EHC Arosa Sport AG dem Medienhaus Südostschweiz mitteilte, dass ein bestimmter Journalist unerwünscht sei und er vorderhand über die Geschehnisse rund um die erste Mannschaft des EHC Arosa nicht berichten solle. Grund dafür sind einige in den letzten zwei Jahren von ihm verfasste Artikel, die vornehmlich auf die Person des Geschäftsführers der EHC Arosa Sport AG zielten. Wir halten die Pressefreiheit in Ehren, stellen diese aber hinter den Persönlichkeitsschutz.
Die Leitung der EHC Arosa Sport AG verlangt einen fairen, ausgewogenen, sachlichen und den Tatsachen entsprechenden Journalismus. Dem Medienhaus steht es jederzeit frei, sich an diese Gepflogenheiten des Journalismus haltende Mitarbeitende zur Berichterstattung abzuberufen. Sie erhalten von der EHC Arosa Sport AG jegliche Unterstützung in ihrer journalistischen Arbeit über die erste Mannschaft des EHC Arosa.
Für den Verwaltungsrat der EHC Arosa Sport AGHans-Martin Meyer, Präsident
Auch wenn es sich «nur» um einen Klub aus der MySports League, aus der höchsten Amateur-Liga, handelt: Einer der wichtigsten Mannschaften im Einzugsgebiet einer grossen Mediengruppe wird auf allen Kanälen boykottiert. Ein medienpolitisch bemerkenswerter Vorgang, den es in dieser Form im Hockey noch nicht gegeben hat.
Diese Posse um den EHC Arosa steht wohl auch ein wenig für die fest in der lokalen Kultur verwurzelte Eigenwilligkeit. Der Kompromiss gehört eher nicht zu den Leittugenden der Bündner. Die ganze Geschichte beginnt mit einer Story im letzten August. Dabei geht es um den Rücktritt des Präsidenten. René Weber, die spitze Sport-Edelfeder aus der Somedia-Gruppe, ortete die Ursache bei Geschäftsführer Adrian Fetscherin. Die kurzweilige Story gibt Einblick in eine doch recht raue Medienkultur. Hier leicht gekürzt die mit reichlich Polemik gewürzte und zugespitzte und eher mit der zweihändig geführten Hellebarde als dem Sportflorett geschriebene Geschichte, die den unterhaltsamen Zwist ausgelöst hat. Da werden Ross und Reiter genannt. Verbales Donnergrollen über dem Schanfigg.
Donnergrollen über dem Schanfigg
Ludwig Waidacher ist per sofort als Präsident des EHC Arosa zurückgetreten. Am Ursprung seiner Demission steht der Geschäftsführer.
von René Weber
Der Präsident des EHC Arosa, Ludwig Waidacher, 1980 Schweizer Meister mit Arosa, ist mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurückgetreten. «Mein Abgang ist nicht so, wie ich mir das wünschte. Mir blieb aber keine andere Wahl», so Waidacher. Für den Vater einer Grossfamilie, Geschäftsmann und FDP-Grossrat sind Diplomatie, Aufrichtigkeit, Loyalität und Anstand selbstverständlich. Darum äussert er sich zu den Gründen seiner Demission zurückhaltend. «Mir ist es wichtig, dass der Klub keinen Schaden nimmt.» Hört man sich um, stellt sich heraus, dass Adrian Fetscherin der Grund für Waidachers Demission ist. Das Verhalten des Geschäftsführers des EHC Arosa gegenüber seinen Söhnen Leo und Markus bezeichnet Waidacher als inakzeptabel. «Als Vater muss ich mich für meine Familie entscheiden», so Waidacher.
Die Information, dass Leo und Markus Waidacher von Fetscherin aus dem Kader der ersten Mannschaft verbannt worden sind, ist verbürgt. Diese Massnahme erstaunt. An fehlendem Talent kann es nicht liegen. Markus Waidacher hat die letzten zwei Jahre für den EHC Chur in der MSL und den SC Rheintal in der 1. Liga gespielt. Leo Waidacher besuchte in den letzten fünf Jahren das Sportgymnasium in Davos und gehörte zum HCD-Nachwuchs. Zudem wurde er mehrfach in Junioren-Nationalteams eingesetzt.
Szenenbeobachter sind überzeugt, dass nicht sportliche Aspekte zum Rauswurf der Waidachers führten. Dass Fetscherin die beiden nicht im Kader haben wollte und ihnen so verwehrt, für ihren Heimklub spielen zu können, wirft Fragen auf. Leo und Markus Waidacher durften nicht einmal in einem Testspiel zeigen, was in ihnen steckt. Genau das war aber ein Bestandteil ihrer mündlichen vertraglichen Vereinbarung mit Fetscherin. Leo und Markus Waidacher müssen sich nun einen neuen Verein suchen.
Ludwig Waidacher hat in den letzten Tagen erkannt, dass sich Fetscherin nicht Dreinreden lässt. Ganz Machtmensch verfolgt der Geschäftsführer eigene Pläne. Spieler um Spieler lockte er in den letzten Monaten nach Arosa. Dass so für Einheimische kein Platz im Aroser MSL-Team blieb, übersah Fetscherin grosszügig – ja bewusst. Verständnis dafür dürfte in Arosa kaum jemand haben. Im Gegensatz zu Fetscherin ist bei den Einheimischen das Miteinander wichtiger. Im Schanfigg hält man traditionell zusammen. Wer sich mit den Einheimischen anlegt, der hat es schwer. Darum werden mit dem Bekanntwerden des Rücktritts von Waidacher Proteste einsetzen. Fetscherin wäre nicht der Erste, der aus dem Dorf vertrieben würde. Soweit ist es aber noch nicht.
Ludwig Waidachers Abgang nach fast 30 Jahren Funktionärstätigkeit ist unschön, unabhängig von der Sichtweise der Turbulenzen. Ganz unschuldig ist er daran allerdings nicht. Er wusste, worauf er sich mit Fetscherin einlässt. Ex-Trainer Marc Haueter hatte Waidacher über Fetscherin orientiert, ihm Dokumente vorgelegt, die Fetscherins Schwächen und Versäumnisse offenlegten. Auch in Arosa gibt es Widerstand gegen den EHC-Arosa-Geschäftsführer, der längst nicht überall ein willkommener Gast ist. Auch mehrere Medien, regionale und nationale, berichteten unlängst über Fetscherins zwiespältige Vergangenheit als Funktionär. Bei den Kloten Flyers, beim HC Thurgau und zuletzt bei den Fussballern der Zürcher Grasshoppers ging er überall im Unfrieden und hinterliess verbrannte Erde.
Obwohl Waidacher die Praktiken von Fetscherin kannte und er mehrfach vor ihm gewarnt worden war, vertraute er dem Zürcher beinahe blind und holte ihn letztes Jahr zurück. Landesweit löste das Erstaunen aus. Heute weiss Waidacher, dass das ein Fehler war – zumindest was seine Person betrifft. Am Ende ist er als «Dorfkönig» über seinen eigenen Entscheid gestolpert.
Und so kommt es nicht ganz überraschend, dass René Weber in Arosa oben nicht mehr erwünscht ist und sich im Gegenzug die Somedia-Gruppe in Chur unten eben nicht vorschreiben lässt, wer über den EHC Arosa berichtet.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es im Schanfigg schon früher mediales Gewitterwetter gegeben hat. Bereits vor gut 40 Jahren, zu Beginn der 1980er-Jahre, war die Führung des EHC Arosa über die Berichterstattung des Leibblattes nicht immer restlos glücklich. Damals war der EHC Arosa noch ein nationaler Titan und gewann 1980 und 1982 den Titel.
Peter Bossert, der kluge Präsident, löste die Sache auf dem diplomatischen Weg und ohne jedes Aufsehen. Er einigte sich bei einem vorzüglichen Essen mit dem damaligen Chefredaktor auf einen fliegenden Wechsel (im Eishockey ja üblich) bei der Berichterstattung. Die Chronisten, die sich um den EHC Arosa und den EHC Chur kümmerten, wurden einfach ausgetauscht. Fortan gab es ein bisschen mehr Polemik rund um den EHC Chur und etwas weniger um den EHC Arosa. Alle wahrten ihr Gesicht und alle waren glücklich und zufrieden.

1982 wird der EHC Arosa zum bislang letzten Mal Schweizer Meister.Bild: KEYSTONE
Der EHC Arosa steht heute auch als Beispiel dafür, wie schwierig es ist, mit einer so ruhmreichen Vergangenheit und einem so klingenden Namen in der neuen Welt des hoch kommerzialisierten Hockeys zurechtzukommen. Das Ziel eines Aufstieges in die Swiss League ist realistisch, wenn wir die Vergangenheit und die nach wie vor anhaltende Strahlkraft dieses Hockey-Unternehmens berücksichtigen. Aber ein Aufstieg und dann eine Existenz in der zweitobersten Liga ist aus wirtschaftlichen Gründen fast so anspruchsvoll wie eine Mondlandung. Wobei ja schon mehrere Mondlandungen geglückt sind.
Adrian Fetscherin bedauert auf Anfrage, dass es bei einem durchaus konstruktiven Gespräch mit der Chefredaktion nicht gelungen sei, die Sache zu bereinigen. Man hoffe nun auf eine dienliche Lösung für nächste Saison. Das ist ja das Erfreuliche im Sport: Jedes Jahr gibt es einen neuen Anfang. So wie die Nordamerikaner sagen: «There‘s always next season.»

Seit März 2021 ist Adrian Fetscherin wieder Geschäftsführer des EHC Arosa. Bild: KEYSTONE
René Weber sagt auf Anfrage, es sei nicht die Frage ob, sondern nur wann es in Arosa oben mit Adrian Fetscherin zum Eklat komme. Affaire à suivre also.
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quelle: keystone / ennio leanza
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wenn Arosa dies verhindern wollte, ist dies nicht so gut gelungen.. ;)